Heute war der letzte Tag des Monats März. Und Ostersonntag. Ich hatte im Web noch eine Challenge laufen. 2.000 Höhenmeter sollten es in diesem Monat werden. Allerdings hatte ich heute erst 1.984 Meter am Tracker. Und nur noch knapp 4 Stunden Zeit. Was lag also näher als die fehlenden Meter noch schnell im Zuge eines Güssinger „Nightwalks“ zur Burg hinauf zu erwandern.
Die Strecke hatte ich aber auch gewählt, weil die Route hier, auch in der Nacht, durchgehend beleuchtet ist. Und andererseits interessierte es mich wirklich, wie viele Höhenmeter es eigentlich tatsächlich vom tiefsten Punkt, beim Fischteich, zum höchsten Punkt, auf der Burg oben, in Güssing sind.
Ein Parkplatz in Güssing war am Rande des Fischteichs, in der Nähe der Teichmeisterei, schnell gefunden. Und los ging meine Tour bei ungewöhnlich angenehmen 18°C nach 20 Uhr im März. Der Südwind sorgte heute für fast schon sommerliche Verhältnisse zu Ostern. Aber er blies auch unangenehm stark. Und frisch.
Hier unten am Teich merkte man davon aber wenig. Erstmals nur mit Jogginghose und -jacke unterwegs startete ich sommerlich bekleidet meinen Walk. Manuela war zu Hause geblieben. Das schummrige Licht in der Nacht war noch nicht ganz so ihr Revier. Und die zu erwarteten Höhenmeter auch nicht. Aber sie machte mir gleichzeitig am Laufband zu Hause Konkurrenz. So solls sein!
Zunächst verläuft mein Walk angenehm flach am Rand des Fischteichs entlang. Zu sehen ist er in der Dunkelheit allerdings nicht. Einzig ein Quackkonzert von Fröschen lässt auf seine unmittelbare Nähe rückschliessen. Der Weg selbst ist aber, wie erwartet, mit Laternen schön beleuchtet und problemlos zu begehen.
Die ganze Route ist übrigens fast durchgängig asphaltiert. Also keine Abenteuer oder Herausforderungen, ob des Untergrunds, zu erwarten. Nach etwa 500 Metern biege ich links hinauf, zur Bundesstraße. Hier angekommen halte ich mich abermals links. Rechts hinunter kann ich die neu adaptierte Klinik von Güssing sehen. Hat gedauert, die Baustelle. Ist aber ganz schön geworden, finde ich.
Ein kurzer Walk die Straße entlang und schon bin ich an der nächsten Abbiegung angelangt. An der größeren Kreuzung, hier heroben halte ich mich halb links. Nicht nach Güssing hinein. Und auch nicht die Umfahrungsstraße entlang. Genau dazwischen. An der Musikschule vorbei hinauf zur Burg.
Auf diesem Abschnitt zeigt die Tour das erste Mal ihre „Zähne“. Die Steigung wird ansprechender. Am Friedhof entlang, der nachts natürlich eine extra Portion Mystik, oder Unheimlichkeit, ausstrahlt, spaziere ich hinauf zur Jakobikirche. Die vielen flackernden Grabeskerzen verleihen der Stimmung noch ihren Extra-Kick. Gefällt mir.
Angekommen bei der Kirche, biege ich abermals links ab. Auf das Areal des Besucher-Parkplatzes der Burg Güssing. Hier hat der Asphalt kurz Pause und weicht einem Schotterplatz bzw. -weg. Ein kurzer Blick auf den Tracker verrät mir: ca. 1,15 Kilometer hinter mir und bereits 42 Höhenmeter absolviert.
Vom Parkplatz führt meine Route nun rechts weg. Den Schotterweg hinein, der den Parkplatz mit der Schrägaufzug-Talstation verbindet. Wer möchte, kann hier, tagsüber im Rahmen der Öffnungszeiten versteht sich, die bequeme Variante zur Burg hinauf wählen. Ich möchte nicht. Geht ja gar nicht. Hat logischerweise geschlossen.
Ein Blick auf meine Uhr: Viertel vor Neun. Von der Geisterstunde noch weit entfernt, aber außer Fledermäusen ist heute keine Menschenseele zu sehen. Macht aber auch nichts. Mit Blick auf einen Teil von Güssing hinunter erreiche ich, leicht bergab wandernd, die Talstation. Nun gehts wieder auf Asphalt weiter. Und jetzt gehts ans Eingemachte.
Die „Königsetappe“ dieser kurzen Tour liegt vor mir: Der Burgaufgang. Und dieser fackelt nicht lange herum. Vom ersten Schritt an möchte er an der Steigung erkannt werden. Und am Puls respektiert werden, der bei mir nun schnell ansteigt. Rechts sehe ich die Lichter von Güssing unter mir. Links die Burgmauer. Vor mir das erste Tor, bzw. der erste Durchgang.
Kurze Pausen sind jetzt öfters angesagt. Natürlich nur wegen der vielen Fotos. Niemals wegen mangelnder Kondition und weil mir die Puste ausgeht. Nie und nimmer. Und schon wieder bleibe ich stehen, weil das Motiv grad so toll ist. Das meine Lunge und meine „Pumpe“, dazu danke, danke, danke sagt? Reiner Zufall …
Aber ich glaube, hier herauf hat jeder seine Problemchen.
Durch Tore und Durchgänge hindurch setze ich einen Fuß vor den anderen. Die Steigung auf diesem Abschnitt beträgt teils knappe 50%(!). Absolut nicht ohne. Das Witzige dran ist aber, dass hier sogar mitunter Autos und Lieferwagen rauf fahren. Kann man sich irgendwie gar nicht vorstellen, ob der Enge und der Steigung.
Nach ca. 2,15 Kilometern trete ich durch das letzte Tor hindurch und bin am Burgareal heroben angekommen. Verschwitzt. Aus der Puste. Aber stolz. Und ganz alleine. Keine Menschenseele. Vor mir erhebt sich stolz die beleuchtete Burg. Ja, das hat was. Gefällt mir.
Wenn man hier kurz innehält und über dieses Plateau blickt, kann man sich fast vorstellen, wie es hier früher gewesen sein muss. Geschäftige Leute dort und da. Handwerker, die ihre Arbeit verrichten. Händler, die ihre Ware feilbieten. Wachen, die für Ordnung sorgen. Und der Adel, der von der Burg aus das Treiben beobachtet.
Allerdings fällt mir auch eine Szene aus dem „Monty-Phyton“-Film „Das Leben des Brian“ ein … „Rush-Hour!“ Wer den Film kennt, weiß was ich meine …
Was mir aktuell aber weniger gefällt ist der Wind. Ob der Höhenlage bläst er hier nun richtig und heftig. Aber da ich nun schon mal hier war, wird meine nächtliche Erkundung auch fortgesetzt. Mit aufgestelltem hochgeschlossenen Kragen.
Ich spaziere über den Burghof. Natürlich ist jetzt keine Menschenseele hier. Halte mich zunächst links und mache erst halt, als der Zaun neben der Mauer mich vor einem Absturz bewahrt. Hier, gleich neben der Bergstation der Bahn, die hier herauf führt, hat man einen tollen Blick auf die City von Güssing.
Der Blick hinunter hat auch irgendwie etwas Unwirkliches. Nicht das Güssing jetzt ein kleines Örtchen wäre. Aber eben auch keine richtig große Stadt. Aber jetzt, im Schein der vielen Lichter, wirkt es wie eine Großstadt a la New York. Ok, vielleicht nicht New York. London? Ne auch nicht. Wien? Na ja … ok, meine Fantasie einigt sich mit meinem Verstand auf die Größe von … Güssing. Mangels Alternativen.
Meine Schritte führen nun über den Burghof. Und wieder kommt dieser Film hoch „Rush Hour!“. Ich muss abermals schmunzeln. Aber andererseits dürfte es hier nicht nur lustig gewesen sein. Bilder tauchen auf von Folterkellern, Streckbänken, Kreuzigungen und Vampiren. Und das zur nächtlichen Stunde. Und als ob es eine Untermalung gebraucht hätte, kreuzt eine Fledermaus meinen Weg.
Diese, gepaart mit einer heftigen Windbö, reißt mich aus meinen Träumen. Nun stand ich auf der gegenüberliegenden Seite. Am Vorsprung, der einen tollen Blick auf die Fischteiche unterhalb der Burg ermöglichte. Die umliegenden Straßen mit der nächtlichen Beleuchtung bildeten auch hier einen richtig schönen Rahmen. Güssing by Night eben.
Auf dem Plateau hier findet man auch einen Pavillon und einen Kräutergarten. Zumindest am Tag ist dieser, von den Güssinger Gärtnern gehegte und gepflegte Garten, sehenswert. Jetzt sehen alle Pflanzen, trotz der Beleuchtung irgendwie gleich aus.
Nachdem ich genügend Fotos geschossen hatte und der Wind mittlerweile meine Knochen erreicht hatte, beschloss ich verständlicherweise, dass es nun genug ist für heute und marschierte durch den Burghof Richtung Ausgang. Unter der Jacke und dem Sweatshirt war ich mittlerweile auch patschnass vom Aufstieg. Das blieb zunächst von mir unbemerkt, aber der Wind war so nett, mich drauf hinzuweisen.
Und als ich schon fast unter das erste Tor verschwand, fiel mein Blick auf den Bereich darüber. Jetzt war ich sicher schon zehn Mal hier heroben gewesen. Aber da oben noch nicht. Links und rechts vom Tor war ein Zaun ersichtlich. Bedeutete also man konnte da auch rauf gehen. Warum, als zur Abgrenzung, sollte der Zaun sonst da sein. Also, Plan geändert. Auf zur Erkundung.
Schnell war ich oben. Was jetzt, ob der paar Schritte nichts bemerkenswertes war. Bemerkenswert war aber die Perspektive auf das Hauptgebäude der Burg von hier. Toll. Das wiederum bedeutete viele neue Fotos. Und eine neue Perspektive auf Güssing unten. Von diesseitig hatte ich die noch nicht gesehen.
Um an wirklich schöne Fotos zu kommen, war jetzt allerdings ein wenig Adrenalin nötig. Die letzten zehn, fünfzehn Meter zum Zaun vor dem felsigen Anhang, waren unbeleuchtet. Und natürlich gefiel mir das. Ein paar Sekunden warten, bis sich die Augen an die Verhältnisse gewohnt hatten und schon – „step by step“ – dem Abgrund entgegen. Das rutschige Gras am Boden war da noch ein Extra-Kick.
So, Kick geholt. Neue Perspektive erkundet. Neuen Bereich erforscht. Aber jetzt gehts wirklich wieder abwärts. Nun fröstelte es mich schon. Und dabei musste ich nicht mal an Dracula denken. Der Wind reichte vollkommen.
Schnell war ich wieder am Weg und durch das erste Tor Richtung Güssing City unterwegs. Bald durch das zweite, dritte … und ziemlich schnell sah ich schon die erste beleuchtete Gasse in die Stadt. Wo ich mich, an der Kreuzung bei der Talstation der Bahn, hinauf links gehalten hatte, hielt ich mich nun abermals links, Richtung Stadt.
Bei der Gasse, neben der Apotheke heraus kommend abermals links und schon wanderte ich über den, zur jetzigen „(Un)Zeit“ verschlafenen, Hauptplatz von Güssing. Vorbei an den geschlossenen Cafés und schnell Richtung Badgasse marschierend. Die Kurve rechts hinab, die erste Gasse links rein und schon war ich wieder heil bei meinem Auto angekommen.
Am Weg in die warme Stube zu Hause lies ich meine heutige Tour nochmals Revue passieren. Dabei fragte ich mich – ob meiner nach wie vor vorhandenen Abenteuerlust – wann denn das Kind in mir erwachsen werden würde? Ich war ja doch schon 53 Jahre alt. Nun, ich hoffe nie!
Günther Schranz, 31. März 2024
Touralbum
Karte
Daten
Tour 222
▷ 3,4 km | △ 92 hm | ⌚︎ ca. 50 Min
Strecke:
Fast vollständig Asphalt
Infos:
Achtung: Steiler Anstieg
Tolle Aussicht
Einkehrmöglichkeit(en):
Gasthaus zur Burg